Mitte der 1930er Jahre präsentiert sich Herfa-Neurode so: Zwei 700 Meter tiefe Schächte, eine moderne Förderanlage und gut erhaltene Industrie- und Verwaltungsgebäude sowie großflächige, trockene Grubenhohlräumen unter Tage – alles nur kurz in Betrieb und seit 15 Jahren weitgehend ungenutzt. Was soll man damit nur machen?
„Reservebergwerke“ wie dieses gibt es durch die Stilllegungsverordnung von 1921 in Deutschlands Kalirevieren viele. Für ihre Besitzer verursachen sie nur Kosten. Da trifft es sich gut, dass das NS-Regime hat ein ernstes Problem hat: Man will unbedingt aufrüsten, doch der Versailler Vertrag begrenzt die Produktion und Lagerung von Munition in Deutschland drastisch. In den Bergwerken könnte jedoch eine Munitionsanstalt leicht der Kontrolle der Alliierten entzogen und geheim gehalten werden. Der Reichswehr gefällt die Idee und übernimmt mehrere Anlagen.
Alleine in Herfa-Neurode werden zwischen 1936 und 1939 rund vier Millionen RM in die Sanierung des Bergwerks und den Ausbau zur „Vollmunitionsanstalt“ gesteckt. Bereits vor Beginn des Krieges werden in den Grubenbauen unscharfe Munition und Sprengstoff eingelagert. Nördlich der Schachtanlage entstehen fünf Munitionsarbeitshäuser und vier Lagergebäude und ab Kriegsbeginn werden hier Pulverkartuschen hergestellt, Zünder eingesetzt und die Munition schussfertig gemacht um dann per Bahn direkt an die Front verschickt zu werden. Ende des Krieges werden diese Tätigkeiten, ungeachtet der enormen Risiken, sogar teilweise nach unter Tage verlegt.
Für das größtenteils dienstverpflichtete Personal – 1939 sind es 566 Männern und 321 Frauen – wird an der Landstraße Richtung Herfa ein Barackenlager errichtet. Durch Einberufungen zum Kriegsdienst herrscht jedoch in der MUNA ständig Arbeitskräftemangel. Seit 1942 werden zunehmend ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt, Frauen und Männer aus Frankreich und Polen, Holland und Belgien, Rumänien und Russland. Sie sind im Barackenlager interniert und leiden unter harten Arbeits- und Lebensbedingungen. Mit dem Einmarsch der Amerikaner wird das Lager aufgelöst, das Schicksal der Insassen des zuvor evakuierten „Russenlagers“ bleibt unklar.
Um jeden Weiterbetrieb der MUNA zu unterbinden lassen die Amerikaner die Förderkörbe in den Schacht stürzen und sprengen die Fördertürme. Ein abfahrtsbereiter Munitionszug am Heringer Bahnhof wird zur Explosion gebracht. Über die Frage, wie mit der eingelagerten Munition umgegangen werden soll, wird ein Jahr lang debattiert. Erst dann sind die radikalen Lösungen wie die Flutung oder Sprengung des gesamten Bergwerks endgültig vom Tisch. Stattdessen wird die Fördereinrichtung wieder hergestellt um die Munitionsbestände zu bergen und zu vernichten. Dieser Prozess dauert bis Ende 1948.
Kategorie | geoOrt |
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Untertagedeponie Herfa-Neurode Entfernung: 0.68 km von Munitionsanstalt Herfa-Neurode | |
Schachtanlage Herfa-Neurode Entfernung: 0.75 km von Munitionsanstalt Herfa-Neurode | |
Kraftwerk Harnrode Entfernung: 1.91 km von Munitionsanstalt Herfa-Neurode | |
Bahnhof Heimboldshausen Entfernung: 1.96 km von Munitionsanstalt Herfa-Neurode | |
Speicherbecken bei Bengendorf Entfernung: 2.08 km von Munitionsanstalt Herfa-Neurode |
Das Werra-Kalibergbau-Museum in Heringen (Werra) dokumentiert die Geschichte und Gegenwart des seit 100 Jahren wichtigsten deutschen Kaliabbaugebiets auf beiden Seiten der hessisch-thüringischen Landesgrenze an der mittleren Werra. Der Ende des 19. Jahrhunderts beginnende Kalibergbau prägt die Region maßgeblich bis auf den heutigen Tag und ist nach wie vor der mit weitem Abstand größte Arbeitgeber.